Im Islam spielt das Verständnis von Kufr (Unglaube) eine zentrale Rolle. Dabei wird Kufr in zwei Hauptkategorien unterteilt: Kufr Akbar, der große Unglaube, und Kufr Duna Kufr, der kleinere Unglaube. Diese Unterscheidung ist entscheidend, um die Bedeutung von Glauben, Sünde und Gerechtigkeit im Islam zu verstehen. Doch was bedeuten diese Begriffe genau? Und wie unterscheiden sie sich? In diesem Artikel betrachten wir diese Konzepte im Licht des Qur’ans, der Sunnah und der Gelehrtenmeinungen.
1. Kufr Akbar: Der große Unglaube
- Definition: Kufr Akbar ist der große Unglaube, der jemanden aus dem Islam herausführt. Es handelt sich um eine bewusste Ablehnung oder Leugnung fundamentaler islamischer Prinzipien.
- Beispiele:
- Die Verleugnung der Existenz Allahs.
- Der Glaube, dass der Qur’an oder die Sharia nicht mehr relevant sind.
- Götzendienst (Schirk) oder die Anbetung von anderen neben Allah.
Beweise aus dem Qur’an:
- „Wer Allah andere beigesellt, dem hat Allah das Paradies verwehrt, und seine Heimstatt wird das Höllenfeuer sein.“
(Sura Al-Ma’ida: 72) - „Und wer Allahs Religion verleugnet, dessen Werke werden nichtig, und er wird im Jenseits zu den Verlierern gehören.“
(Sura Al-Ma’ida: 5)
Beweise aus der Sunnah:
- Der Prophet Muhammad (ﷺ) sagte:
„Zwischen einem Mann und dem Kufr steht das Verlassen des Gebets.“
(Sahih Muslim, Hadith 82)
→ Bedeutung: Das absichtliche Verlassen des Gebets aus Ablehnung zeigt Kufr Akbar.
Aussagen der Gelehrten:
- Ibn Kathir:
„Kufr Akbar ist jede Handlung oder Aussage, die direkt die Einheit Allahs leugnet oder die Grundlagen des Islam angreift.“
(Tafsir Ibn Kathir) - Sheikh Bin Baz:
„Wer andere Gesetze als die Sharia als besser oder gleichwertig ansieht, begeht Kufr Akbar.“
(Majmoo’ al-Fatawa, Band 27)
2. Kufr Duna Kufr: Der kleine Unglaube
- Definition: Kufr Duna Kufr beschreibt kleinere Formen des Unglaubens, die zwar schwerwiegende Sünden darstellen, aber eine Person nicht aus dem Islam ausschließen.
- Beispiele:
- Ein Herrscher urteilt nicht nach der Sharia, glaubt jedoch weiterhin an ihre Gültigkeit.
- Ein Muslim begeht große Sünden wie Lügen, Betrug oder Ehebruch, erkennt jedoch an, dass diese Handlungen falsch sind.
Beweise aus dem Qur’an:
- „Und wer nicht nach dem urteilt, was Allah herabgesandt hat, das sind die Ungläubigen.“
(Sura Al-Ma’ida: 44)
Erläuterung: Ibn Abbas und andere Gelehrte haben erklärt, dass dieser Vers je nach Absicht und Überzeugung des Handelnden entweder Kufr Akbar oder Kufr Duna Kufr beschreibt.
Beweise aus der Sunnah:
- Der Prophet Muhammad (ﷺ) sagte:
„Ein Dieb ist kein Gläubiger, während er stiehlt, und ein Ehebrecher ist kein Gläubiger, während er Ehebruch begeht.“
(Sahih al-Bukhari, Sahih Muslim)
→ Bedeutung: Diese Sünden schwächen den Glauben (Iman), führen aber nicht zwangsläufig aus dem Islam.
Aussagen der Gelehrten:
- Ibn Abbas:
„Es ist Kufr, aber nicht wie der Unglaube an Allah, Seine Engel, Seine Bücher und Seine Gesandten.“
(Zitiert in Tafsir Ibn Kathir) - Sheikh Al-Albani:
„Kufr Duna Kufr beschreibt sündhafte Handlungen, die auf menschlicher Schwäche basieren, jedoch nicht auf einer bewussten Ablehnung Allahs.“
(Silsilat al-Ahadith as-Sahihah)
3. Unterschiede zwischen Kufr Akbar und Kufr Duna Kufr
Aspekt | Kufr Akbar | Kufr Duna Kufr |
Definition | Großer Unglaube, führt aus dem Islam heraus. | Kleiner Unglaube, verbleibt im Islam. |
Beispiele | Götzendienst, Leugnung der Sharia. | Sündhaftes Verhalten ohne Ablehnung des Islam. |
Auswirkungen | Ewige Strafe im Höllenfeuer ohne Reue. | Schwächung des Glaubens, aber Rückkehr möglich. |
Absicht entscheidend? | Ja, Ablehnung der islamischen Prinzipien. | Ja, Handlungen basieren auf Schwäche, nicht auf Leugnung. |
4. Fehler in der Interpretation: Lehren aus der Geschichte der Khawarij
- Was die Khawarij behaupten:
Die Khawarij sahen jede Handlung, die nicht strikt nach der Sharia erfolgt, als Kufr Akbar. Sie ignorierten dabei die Absicht und den Glauben der betroffenen Person. - Der Fehler:
- Ibn Taymiyyah: „Das Urteil, ob jemand Kufr Akbar begeht, erfordert Beweise für eine bewusste Leugnung oder Ablehnung.“
(Majmoo’ al-Fatawa, Band 7) - Ibn Kathir: „Die Khawarij haben Qur’anverse ohne Kontext angewandt und dabei die Meinungen der Gefährten ignoriert.“
- Ibn Taymiyyah: „Das Urteil, ob jemand Kufr Akbar begeht, erfordert Beweise für eine bewusste Leugnung oder Ablehnung.“
- Folgen ihrer Ansichten:
- Sie erklärten andere Muslime zu Ungläubigen und rechtfertigten Gewalt gegen sie.
- Ihre Missinterpretation führte zu Spaltung und Chaos innerhalb der muslimischen Gemeinschaft.
5. Relevanz für die heutige Zeit
- Moderne Beispiele:
- Politische Führung: Ein Herrscher, der nicht nach der Sharia regiert, jedoch weiterhin an Allah glaubt → Kufr Duna Kufr.
- Gesellschaftliches Fehlverhalten: Muslime, die sündigen, bleiben Muslime, solange sie an die Grundsätze des Islam glauben.
- Die Rolle der Gelehrten heute:
Extremismus entsteht oft durch das Fehlen von fundiertem Wissen. Gelehrte wie Sheikh Bin Baz und Sheikh Al-Albani haben wiederholt betont, dass Muslime sich an die Sunnah und die authentischen Quellen halten müssen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Fazit: Was Muslime wissen sollten
- Kufr Akbar: Führt aus dem Islam heraus, betrifft die bewusste Ablehnung der Grundprinzipien des Glaubens.
- Kufr Duna Kufr: Schwächt den Glauben, führt jedoch nicht aus dem Islam heraus.
- Die Gelehrten: Ihre Weisheit und detaillierten Erklärungen sind unerlässlich, um zwischen Sünde und Unglauben zu unterscheiden.