Der richtige Umgang mit Sündern im Islam


Jeder Mensch begeht Fehler – auch Muslime. Doch wie sollten wir als Gemeinschaft mit denen umgehen, die Sünden begehen? Der Islam lehrt uns eine ausgewogene Haltung: nicht hart urteilen, sondern mit Gerechtigkeit und Mitgefühl handeln. In diesem Artikel beleuchten wir die islamischen Prinzipien im Umgang mit Sündern, die Unterscheidung zwischen Sünde und Unglauben (Kufr) sowie die Weisheit der Gelehrten zu diesem Thema.


1. Unterschied zwischen Sünde und Kufr

  • Was ist eine Sünde?
    • Sünden sind Verstösse gegen die Gebote Allahs, die aus Nachlässigkeit, Schwäche oder Unwissenheit entstehen.
    • Sie beeinträchtigen den Glauben (Iman), führen aber nicht zwangsläufig aus dem Islam heraus.
  • Was ist Kufr?
    • Kufr (Unglaube) ist die bewusste Ablehnung oder Leugnung des Islam und seiner Grundprinzipien.
    • Beispiele für Kufr: Götzendienst (Schirk), das Leugnen des Prophetentums oder das Lächerlichmachen des Qur’ans.

Beweis aus der Sunnah:

Der Prophet Muhammad (ﷺ) sagte:
„Ein Dieb ist kein Gläubiger, während er stiehlt, und ein Ehebrecher ist kein Gläubiger, während er Ehebruch begeht.“
(Sahih al-Bukhari, Sahih Muslim)
Bedeutung: Sünden schwächen den Glauben, führen aber nicht automatisch aus dem Islam heraus.

Aussage von Ibn Taymiyyah:

„Nicht jede schwere Sünde ist Kufr. Es gibt Sünden, die den Glauben schwächen, aber der Sünder bleibt Muslim.“
(Majmoo’ al-Fatawa, Band 7)


2. Islamische Prinzipien der Vergebung und Reue

  • Allahs Barmherzigkeit:
    • „Sprich: ‘Oh meine Diener, die sich gegen sich selbst vergangen haben, verzweifelt nicht an der Barmherzigkeit Allahs. Gewiss, Allah vergibt alle Sünden.’“
      (Sura Az-Zumar: 53)
    • Allahs Barmherzigkeit ist größer als jede Sünde, solange Reue gezeigt wird.
  • Reue (Tawba):
    • „Wahrlich, Allah liebt diejenigen, die bereuen, und diejenigen, die sich reinigen.“
      (Sura Al-Baqara: 222)
    • Reue beinhaltet das Eingeständnis der Sünde, das Aufgeben der falschen Handlung und die feste Absicht, sie nicht zu wiederholen.

Beispiele aus dem Leben des Propheten (ﷺ):

  • Ein Mann kam zum Propheten (ﷺ) und gestand einen Ehebruch. Der Prophet fragte ihn mehrmals, ob er wirklich sicher sei. Erst nach mehrfacher Bestätigung wurde das Urteil ausgesprochen.
    Lehre: Der Prophet (ﷺ) zeigte, dass Reue und Barmherzigkeit Vorrang haben.

3. Umgang mit Sündern: Weisheit statt Verurteilung

  • Keine voreiligen Urteile:
    Der Islam warnt davor, über Menschen schnell zu urteilen oder sie als Ungläubige zu bezeichnen.
    „Wer zu seinem Bruder sagt: ‘Oh Kafir!’, dann kehrt diese Aussage auf ihn zurück, wenn der andere kein Kafir ist.“
    (Sahih al-Bukhari, Sahih Muslim)
  • Die Rolle der Gelehrten:
    Gelehrte wie Ibn Taymiyyah und Sheikh Bin Baz betonten immer die Bedeutung von Geduld und Weisheit im Umgang mit Sündern:
    • Sheikh Bin Baz: „Muslime sollten mit Barmherzigkeit und Rat führen, nicht mit Härte und Verurteilung.“
      (Majmoo’ al-Fatawa, Band 27)
    • Ibn Al-Qayyim: „Der Prophet (ﷺ) war sanft zu denen, die schwach waren, und hart nur zu denjenigen, die absichtlich Unrecht taten.“
      (Madarij as-Salikeen, Band 2)

4. Fehler in der Haltung der Khawarij

  • Die extremistische Haltung:
    • Die Khawarij erklärten jeden, der eine schwere Sünde begeht, automatisch zum Ungläubigen.
    • Sie ignorierten dabei die Lehren des Propheten (ﷺ), dass Sünde und Unglaube nicht dasselbe sind.
  • Was die Gelehrten sagen:
    • Ibn Abbas: „Es ist Kufr, aber nicht wie der Unglaube an Allah und Seine Gesandten.“
      (Tafsir Ibn Kathir, Al-Ma’ida: 44)
    • Sheikh Al-Albani: „Die Härte der Khawarij führte zu Chaos und Spaltung, weil sie den Qur’an falsch interpretierten.“
      (Silsilat al-Ahadith as-Sahihah)

5. Was wir von den Gelehrten lernen können

  • Sanftheit und Geduld:
    Gelehrte wie Ibn Kathir und Sheikh Bin Baz betonten, dass Sündern immer die Möglichkeit zur Reue gegeben werden sollte.
  • Vermeidung von Extremismus:
    Die Weisheit der Gelehrten hilft uns, die feine Linie zwischen Verurteilung und Nachsicht zu finden.

Aussage von Ibn Kathir:

„Die Gelehrten sollen die Menschen nicht verurteilen, sondern sie durch Wissen und Ratschläge zur Besserung führen.“
(Tafsir Ibn Kathir)


6. Praktische Tipps für den Umgang mit Sündern

  • Gebe Rat auf respektvolle Weise:
    • Der Prophet (ﷺ) sagte: „Die Religion ist aufrichtiger Rat.“
      (Sahih Muslim)
    • Private Ratschläge sind oft wirksamer als öffentliche Kritik.
  • Ermutige zur Reue:
    • Zeige die Barmherzigkeit Allahs auf und erinnere daran, dass jede Sünde vergeben werden kann.
  • Sei ein Vorbild:
    • Handle selbst nach den Prinzipien des Islam, um andere durch dein Verhalten zu inspirieren.

Fazit: Der richtige Umgang mit Sündern im Islam

Der Islam lehrt uns, mit Sanftheit, Geduld und Mitgefühl zu handeln. Menschen zu verurteilen, ohne ihre Umstände zu kennen, widerspricht den Lehren des Qur’ans und der Sunnah. Stattdessen sollten wir Sündern helfen, den Weg der Reue zu finden, und dabei die Weisheit der Gelehrten als Orientierung nutzen.